Philosophie als Therapie
Shownotes
🪰💭 Wie löst man eigentlich philosophische Probleme – und damit Lebensfragen, die sich immer wieder aufdrängen? Etwa Fragen nach Sinn, Wahrheit, Tod oder dem Selbst? In diesem Video geht es um Ludwig Wittgensteins Antwort – und die gab er auf die Frage: „Was ist dein Ziel in der Philosophie?" – "Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen.“
Wir beleuchten:
✨ Warum Wittgenstein Philosophie als Therapie verstand
✨ Wie Sprache unsere Wahrnehmung und unser Denken verzaubert
✨ Was es mit dem „Fliegenglas“ auf sich hat – und warum wir alle darin sitzen
✨ Wieso der Perspektivwechsel der Schlüssel zur Freiheit ist
✨ Und wie wir lernen können, uns selbst und die Welt neu zu sehen
👉 Es geht um Sprache, Denken, Orientierung – und darum, wie man philosophische Probleme auflöst, statt sie nur zu lösen. Mit Wittgensteins Fliegenglas entdecken wir, dass die Lösung oft direkt vor uns liegt – nur anders, als wir denken.
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👉01:15 Biografie Ludwig Wittgenstein
👉04:53 zwei wichtige Aspekte seiner Philosophie
👉10:37 Im Fliegenglas
👉15:53 Perspektivwechsel
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🎓 Hier findet Ihr unsere Quellen:
Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (PU)
Nuno Venturinha Against the Idea of a “Third” Wittgenstein, https://wab.uib.no/agora/tools/alws/collection-7-issue-1-article-20.annotate
Ludwig Wittgenstein, Big Typescript. Wiener Ausgabe Bd. 11, hg. von Michael Nedo, Wien 2000, S. 283 (2.281.3.1)
Das zweite Zitat S. 290 (4.219.71)
Das dritte Zitat: ebd. , S. 87 (3.156.61)
Ben Ware, Seeing the everyday otherwise: vision, ethics and utopia in Wittgenstein's Philosophical Investigations, in:
The Critical quarterly, 2014-04, Vol.56 (1), p.23-39 (DOI: 10.1111/criq.12086)
Michael Hampe, Wozu? Eine Philosophie der Zwecklosigkeit. München 2024, S. 203 ff
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Moderation, Recherche & Skript: Gert Scobel
Eine Produktion der probono Fernsehproduktion GmbH:
Anja Görner, Friedrich Küppersbusch, Jürgen Ohls, Kim Plettemeier, Marco Irrgang, Maxie Römhild und René Fischell
Mit Unterstützung von:
Alexander Hollmer, Arne Clasvogt, Claus Ast, Frank Hard und Pascal Hadré
Finanziert wird dieser Kanal von drei gemeinnützigen Organisationen:
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Und Tschüss.
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Transkript anzeigen
00:00:00: Wie löst man eigentlich philosophische Probleme und damit Lebensfragen, die sich ja immer wieder aufträngen, weil sie mit Sinn, Bedeutung, Ethik, Wahrheit, Tod, demselbst oder ähnlichen Themen zu tun haben?
00:00:12: Wahrscheinlich habt ihr häufig die Erfahrung gemacht, dass eine solche Frage selten allein kommt.
00:00:17: Solche Fragen bilden richtige Nester und das macht es noch schwerer, sich zu beantworten.
00:00:23: Deshalb versuche ich es mal mit einer Gegenfrage.
00:00:25: Glaubt ihr, ihr könnt beispielsweise ein ganzes Haus reparieren und dabei nur ein einziges Werkzeug benutzen?
00:00:43: Genau das geht nicht.
00:00:46: Und so saß auch der Philosoph Ludwig Wittgenstein.
00:00:48: Ich will euch in diesem Video anhand eines berühmten Satzes von ihm erklären, was Wittgensteins Antwort auf die Frage ist, wie wir philosophische Probleme lösen.
00:00:57: Bei dem Satz von Wittgenstein handelt es sich, wenn man genau ist, um Paragraph threehundertneun, der philosophischen Untersuchung.
00:01:04: Was ist dein Ziel in der Philosophie?
00:01:08: Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglass zeigen.
00:01:11: Nur, was bedeutet das und wie macht man das?
00:01:19: Kurz was zur Bio.
00:01:21: Die Wittgenstein Bio wäre natürlich ein eigenes Video wert.
00:01:25: Was ihr unbedingt wissen solltet, ist, dass Wittgenstein sein eigenes Denken nicht nur mehrfach umgekrempelt, sondern auch völlig auf den Kopf gestellt hat.
00:01:33: Vielleicht denkt ihr jetzt, das mache ich doch auch dauernd, aber es ist schon was anderes, seine Meinung häufig mal zu ändern, was vielleicht bedeutet, dass man nicht allzu stabil ist oder auch keine eigene Haltung hat, keinen Rückgrat.
00:01:47: oder, so wie Wittgenstein, mehrfach ein ganzes Fach, eine Disziplin, vollkommen verändert hat.
00:01:52: Und damit auch die Sicht auf diese Disziplin, in diesem Fall die Philosophie.
00:01:56: Wittgensteins einzigartige Methode zu philosophieren, ist bis heute ein Meilenstein.
00:02:01: Und das, obwohl er im konventionellen Sinn nie ein klassisches Philosophiewerk Alakan, Hegel oder Heidegger geschrieben hat.
00:02:09: Wittgenstein wurde in Wien geboren und stammt aus einer der reichsten und angesehensten Familien Österreich.
00:02:16: Im Hause der Wittgensteins traf sich die Sperrspitze nicht nur der österreichischen Verwaltung, Politik und Industrie, sondern auch der Kultur.
00:02:23: Beispiel Musikerinnen, bei den Wittgensteins waren Clara Schumann, Gustav Mahler, Johannes Brahms und Richard Strauß regelmäßige Gäste.
00:02:32: Wittgenstein verzichtete früh auf sein Vermögen, wurde Ingenieur, studierte in Cambridge Mathematik, erlebte den Horror des Krieges an der Front und wurde, in der Jahr- und Jahrzehnte, auf einen Schlag weltberühmt mit einer einzigen Veröffentlichung im Vergleich zu anderen philosophischen Werken einer geradezu knappen kurzen Schrift im Traktatus logico filosoficus.
00:02:55: Dieses Buch und einige wenige kleine Schriften blieben das einzige Werk, das Wittgenstein zu Lebzeiten je veröffentlicht hat.
00:03:04: Dabei folgte auf dieses Traktatus Frühwerk nach einer Übergangsphase die spätere nächste Periode seiner Philosophie.
00:03:12: Dieses Unveröffentlichte Werk Wittgensteins Nachlass umfasst etwa zwanzigtausend Seiten, die Notizen, Manuskripte und deren Überarbeitung beinhalten.
00:03:23: Zu Lebzeiten bekamen sie nur wenige zu lesen und sie werden bis heute ausgewertet und gehören seit zehntausend siebzehnt zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.
00:03:33: Die Entstehung des Spätwerks rund um die sogenannten philosophischen Untersuchungen, die aber erst, wie gesagt, nach seinem Tod, neunundfünfzig veröffentlicht wurden, sind ein philosophischer Krimi.
00:03:44: Fun fact, es gibt tatsächlich einen Wittgenstein Krimi, von dem ziemlich bekannten Schriftsteller Philipp Kerr mit dem Titel Das Wittgenstein-Programm fand ich damals super.
00:03:56: Fest steht, Wittgenstein beeinflusste durch Seminare, Gespräche und Auszüge aus seinen Notizen, das denken nahezu alle Philosophinnen seiner Zeit und in vielerlei Weise bis heute.
00:04:09: Seit kurzem streiten sich dann Fachleute darüber, ob es neben der Traktatus-Frühphase und dem sogenannten späteren Linguistik-Turn der Sprachphilosophie, also philosophische Untersuchung, noch eine dritte Phase gibt.
00:04:21: Worin sich aber alle einig sind, ist, dass die Lösung philosophischer Probleme die Wittgenstein vorschlug, wie Therapien waren.
00:04:28: Versuche, mithilfe des Denkens und der Analyse unserer Sprache Probleme nicht nur zu lösen, sondern sie vollständig aufzulösen, und zum Verschwinden zu bringen.
00:04:39: Geht das?
00:04:41: Es sieht so aus, als ob Wittgenstein der Überzeugung war, dass sich philosophische Probleme tatsächlich auflösen lassen.
00:04:48: Dass aber das Leben damit keineswegs ganz leicht wird, wie er ironisch bemerkte.
00:04:57: Zwei wichtige Aspekte seiner Philosophie.
00:05:00: Bevor ich euch zeige, wie die Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas findet und warum es so schwer ist für sie, das Gefäß zu verlassen, das doch eine Öffnung hat, zwei wichtige Einsichten über Wittgenstein.
00:05:11: Die erste hat damit zu tun, dass wir alle, wenn wir Probleme zu lösen versuchen und insbesondere philosophische Probleme, mithilfe unserer Sprache arbeiten.
00:05:21: Leider ist unsere Sprache nicht nur eine Hilfe, sondern Sprache schafft auch Probleme.
00:05:26: Warum?
00:05:28: In seinen philosophischen Untersuchungen, genauer ein paar Graf-Hundertneun, Schreibt Wittgenstein, dass Philosophie in erster Linie ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel der Sprache sei.
00:05:39: Die Sprache führt uns sehr oft in die Irre.
00:05:43: Und wörtlich, schreibt Wittgenstein, die philosophischen Probleme entstehen, wenn die Sprache feiert.
00:05:49: Ich nehme an, dass ihr alle wisst, was passiert, wenn Leute richtig feiern.
00:05:54: Wenn Sprache uns helfen soll, ist es daher wichtig, dass wir konzentriert bleiben und genau herausfinden, an welchen Problem wir arbeiten wollen und welche Werkzeuge wir dazu benutzen können, um dieses Problem zu lösen.
00:06:08: Wenn man zu viel feiert, geht das nicht mehr.
00:06:10: Mit einem Hammer, eine Schraube in ein Holz zu schlagen, ist wenig zielführend.
00:06:15: Man muss also lernen, Werkzeuge richtig zu gebrauchen, um bestimmte Aufgaben zu lösen.
00:06:21: Der zweite wichtige Punkt, das leichter macht die Sache mit der Fliege und dem Fliegenglas besser zu verstehen, ist Wittgensteins zentrale Einsicht, das und wie sehr Sprache nicht nur unser Denken und unsere Vorstellungen von der Welt prägt, sondern auch unser Handeln.
00:06:38: Der Grund ist einfach, für Wittgenstein ist die Bedeutung eines Wortes sein Gebrauch in der Sprache.
00:06:45: Wenn wir also wissen wollen, was ein Wort bedeutet, müssen wir untersuchen, wie dieses Wort tatsächlich von uns zum Beispiel im Alltag gebraucht wird.
00:06:54: Jedes Wort aber, und damit auch sein Gebrauch im Alltag, ist wie die Sprache selbst eingebettet in eine Lebensform, also in die Art und Weise, wie wir handeln, was wir tun.
00:07:05: Und es ist dieses Handeln, also die Tatsache, dass wir etwas einfach auf eine bestimmte Art und Weise tun und wir tun es nur so.
00:07:15: die am Grunde all unseres Sprechens und auch unserer Begründung und Argumente liegt.
00:07:20: Insofern stand Wittgenstein dem sogenannten philosophischen Pragmatismus nahe.
00:07:26: Was er Handeln nennt, bezieht sich auf jede denkbare Form von Aktivität, von der Art und Weise, wie wir lieben, über den Fußball bis hin zur Wissenschaft, religiösen Ritualen, Psychotherapie oder sogar Krieg.
00:07:41: Das Vertragte daran ist nur, dass selbst ein so einfaches Wort wie zum Beispiel Spiel, wenn wir es genauer untersuchen, auf sehr, sehr viele unterschiedliche Weisen verwendet wird.
00:07:52: Wir sprechen von Fußballspiel, Mannschaftsspielen, Schachspiel, Nullsummspiel, Passions ist auch ein Spiel, spielt man mit sich selber.
00:07:59: Oder wir sagen sowas wie, das ist kein Spiel.
00:08:02: Wittgenstein kam zu dem bis heute gültigen Schluss, dass es in den meisten Fällen, selbst bei so einfachen Worten wie Spiel, unmöglich ist, selbst diese einfachen Worte, exakt zu definieren.
00:08:15: Weil Worte immer Netzwerke bilden und alle miteinander verknüpft sind.
00:08:20: Wittgenstein sagt, sie formen Familienähnlichkeiten.
00:08:23: Worte stehen also in Verwandtschaftsverhältnissen und ihr wisst, wie kompliziert solche Verwandtschaftsbeziehungen werden können.
00:08:33: Isoliert man ein einziges Wort, also versucht das und versucht es dann unter die Sprachlupe zu legen, um es zu analysieren, dann zieht man Notgedrungen das gesamte Netzwerk mit, das mit diesem Wort verbunden ist.
00:08:46: Das zieht man mit heraus.
00:08:48: Es ist also wichtig, genau hinzuschauen und sich nicht von der sogenannten Oberflächengrammatik von Subjekt-Objekt zum Beispiel täuschen zu lassen.
00:08:56: Oberflächlich betrachtet gleichen sich die Sätze, der Töpfer schuf eine wundervolle Vase und Gott schuf diese Welt.
00:09:04: Aber Töpfer und Gott scheinbar beide gleich, beide Subjekte, haben, wenn man weitere Sprachspiele damit verbindet, also mal an diesem Netz zieht, eine völlig andere tiefengrammatische Verwendung.
00:09:17: Von einem Töpfer die Erlösung der Welt zu erwarten, ist vielleicht denkbar in einem Märchen, aber schon ein bisschen seltsam.
00:09:25: Bei Gott hingegen ist das gewissermaßen die Normalerwartung.
00:09:28: Also, wenn der das schon alles gemacht hat, dann kann er die ganze Sache auch gefälligst erlösen und die Fehler reparieren.
00:09:33: Man könnte sagen, dass die gesamte Philosophiegeschichte so eine Art Sammlung von Begriffen und ihren Verwendungen ist.
00:09:41: Eine Art Werkzeugkasten voll mit Argumenten und Sprachspielen, in denen man dann, wenn man ein Problem hat, nach weiteren Argumenten oder Antworten suchen kann.
00:09:50: Wittgenstein beschreibt die Arbeit von Philosophinnen, auf eine sehr anschauliche Weise.
00:09:57: Die meisten Menschen, wenn sie eine philosophische Untersuchung anstellen sollen, machen es wie einer, der äußerst nervös einen Gegenstand in einer Ladesucht.
00:10:06: Er wirft Papier aus der Lade raus, das Gesuchte mag darunter sein, blättertastig und ungenau unter den übrigen.
00:10:14: Wirft wieder einige in die Lade zurück, bringt sie mit den anderen durcheinander und so weiter.
00:10:19: Man kann ihm dann nur sagen, halt.
00:10:22: Wenn du so suchst, kann ich dir nicht suchen helfen.
00:10:26: Erst musst du anfangen, in vollster Ruhe methodisch eins nach dem anderen zu untersuchen.
00:10:32: Dann bin ich auch bereit, mit dir zu suchen und mich auch in der Methode nach dir zu richten.
00:10:43: Und nun zur Fliege.
00:10:45: Was ist dein Ziel in der Philosophie?
00:10:48: Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen.
00:10:51: Um zu verstehen, was es damit auf sich hat, müsst ihr natürlich wissen, was ein Fliegenglas ist.
00:10:56: Das gab es damals und heute selten.
00:11:00: Das hier sind zwei verschiedene Typen von Fliegenglasern.
00:11:04: Der Clou ist, dass das Gefängnis der Fliege erstens, wie ihr seht, völlig transparent ist, Glas.
00:11:10: Und das Fliegenglas zweitens unten könnt ihr sehen, offen ist.
00:11:15: Das heißt, die Fliege könnte durch diese Öffnung, durch die sie reinkommt, auch wieder entkommen, könnte.
00:11:22: Und die Fliege, das sind natürlich wir, die sich in einem für uns völlig transparenten und damit zugleich aber unsichtbaren Medium und damit mein Wittgenstein die Sprache verfangen haben und nun wie die Fliegen ständig gegen das Glas stoßen.
00:11:37: Das Dumme ist eben, dass wir die Grenzen der Sprache nicht sehen.
00:11:42: Wir sind transparent.
00:11:43: und um das Bild vom Fliegenglas aufzunehmen, beim anderen gegen die Grenzen der Sprache uns fette Bollen holen, in unserem Verstand.
00:11:52: Diese Verletzungen unseres Verstandes von den Wittgenstein spricht, die reichen tatsächlich tief, warum?
00:11:59: Weil sie auch unsere existenziellen Fragen, zum Beispiel nach Sinn, nach Weiterleben und so weiter, betreffen.
00:12:08: Das hier ist also ein Fliegenglas, wie gesagt, unten offen.
00:12:14: kann man von oben, wenn man den Stöpfel rausnimmt, eine Flüssigkeit wie Essigwasser, Obst oder Zuckersaft einfüllen und der Duft lockt die Insekten dann an, die von unten in das Glas fliegen.
00:12:28: Meine Erfahrung nach wirkt eine Mischung von allem am besten.
00:12:31: Also Stuben fliegen zum Beispiel im Westen mögen Fruchtsaft, Limonade und Honigwasser.
00:12:36: Schmeiß fliegen lieber Wasser mit Fleisch oder Fischresten, das stinkt, Tau oder Obst.
00:12:41: fliegen mögen Essigwasser.
00:12:43: Aber alle werden durch den Duft angezogen.
00:12:46: Ähnlich ist das auch bei uns.
00:12:48: Wir wollen die Sinnfrage lösen, die uns quält, riechen sozusagen Erlösung und die Möglichkeit, das Problem zu lösen.
00:12:55: Und schon sind wir gefangen und haben ein Problem.
00:12:58: Hier sind wir da die Lösung oder Erlösung.
00:13:02: Und wie kommen wir da hin?
00:13:05: Und dann knallen wir immer wieder gegen die unsichtbare Mauer der Sprache.
00:13:09: Theoretisch könnte jede Fliege, wie gesagt, wieder rauskommen, aber das entspricht einfach nicht ihren Gewohnheiten.
00:13:16: Es ist leicht, in Probleme zu geraten und in die Falle zu gehen, das ist sehr verlockend, aber es ist ein noch viel größeres Problem, da wieder rauszufinden.
00:13:25: Und genau das ist eine entscheidende philosophische Einsicht.
00:13:29: Wie die Fliege mit ihrer Gewohnheit Richtung Helligkeit guter Geruch zu fliegen, werden auch wir in unseren Handlungsweisen von Gewohnheiten, Ansichten, Vorstellungen und verlockend einfachen Bildern von der Welt geprägt und angezogen.
00:13:45: Und wie die Fliege, glauben wir bildhaft gesprochen, dass Öffnungen sich oben und nicht unten befinden müssen.
00:13:52: und finden nicht mehr raus.
00:13:54: Wir verfangen uns in Wortwolken, Illusionen und in unserer eigenen Sprache und merken gar nicht, dass wir genau dadurch gefangen sind.
00:14:04: Und dann verlieren wir die Übersicht und vor allen Dingen den Orientierungssinn und knallen immer wieder gegen die Scheibe.
00:14:10: Vielleicht definierte Kantaufklärung deshalb als Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.
00:14:18: Denn dass wir in das Fliegenglas geraten sind, ist ja in gewisser Weise selbst verschuldet.
00:14:25: Wie also stellen wir Mündigkeit wieder her, wenn doch die große Falle für uns denkende Wesen die Sprache ist?
00:14:33: Genau darum geht's Wittgenstein.
00:14:35: Er war der Ansicht, dass wir in unserem Leben von bestimmten sprachlich verfassten Vorstellungen und Bildern geleitet werden.
00:14:42: Ich habe neulich über Frames geredet.
00:14:44: Das ist ähnlich.
00:14:45: Wir stellen unser Leben unter ein Bild und leben in gewisser Weise in diesem Bild.
00:14:52: So formuliert er ist der Philosoph Michael Hampel in seinem Buch, wozu eine Philosophie der Zwecklosigkeit.
00:14:58: Und dieses Bild von der Welt hält uns dann gefangen.
00:15:03: Oder genauer gesagt, wir halten uns selber durch ein so fixiertes Bild, an dem wir hängen, gefangen.
00:15:10: und genau darauf verweist das Bild vom Fliegendlas.
00:15:13: Wir lösen das Problem, das wir haben, indem wir uns von diesem Bild, das uns gefangen hält, lösen und uns und das Problem anders ansehen, zum Beispiel von unten.
00:15:25: Wie machen wir das?
00:15:27: Indem wir unsere Bildabhängigkeit wie eine Sucht therapieren und das zu tun, ist äußerst schmerzhaft, sagt Wittgenstein.
00:15:37: Aber genau darum kreist ja ein wesentlicher Teil von seiner Philosophie, die ähnlich wie die Fliege im Glas immer wieder neu ansetzt, um uns aus unterschiedlichen Fallen herauszuhelfen.
00:15:49: Der Schlüssel zu all dem aber ist der Perspektivwechsel.
00:15:57: Perspektivwechsel.
00:15:59: Ben Ware, der Co-Direktor am Center for Philosophy and the Visual Arts am King College in London, hat mit Blick auf Wittgenstein eine, ich finde, großartige Formulierung gefunden, die zusammenfasst, was Philosophie zumindest im Sinne Wittgensteins ist oder was sie macht.
00:16:17: Philosophie ist eine Tätigkeit, durch die man Dinge neu sehen lernt, genauer.
00:16:22: Eine Tätigkeit, mit deren Hilfe wir überwiegend durch Nachdenken und Gespräch miteinander und deshalb auch durch Sprache lernen können, die Wirklichkeit und uns selbst neu zu sehen.
00:16:34: Wer philosophiert, unterwirft sich einer Methode genauer Analyse, die schließlich in einem Perspektivwechsel münden kann.
00:16:42: Ihr erinnert euch an das Zitat mit der Schublade.
00:16:45: Langsames methodisches Durch- und Untersuchen ist der Schlüssel.
00:16:50: Wir alle werden von bestimmten Bildern geleitet und haben unsere Perspektivität, unsere Perspektive, weil wir glauben zu wissen, wo sich was befindet und wer wir sind.
00:17:02: Dass wir Subjekte sind, also immer eine Perspektive haben, ist vollkommen natürlich.
00:17:07: Das soll auch nicht verändert werden.
00:17:09: Aber zu unserer Natur gehört es auch, diese Perspektive verändern zu können.
00:17:14: Stichwort Freiheit.
00:17:16: In Paragraph hundert acht der philosophischen Untersuchung schreibt Wittgenstein, man könnte sagen, die Betrachtung muss gedreht werden, Aber um unser eigentliches Bedürfnis als Angelpunkt.
00:17:28: Das eigentliche Bedürfnis ist die Lösung eines philosophischen Problems, das uns quält, der Ausgang aus dem Fliegenglas.
00:17:35: Die Auflösung des Problems ist die Veränderung der Perspektive, der Perspektivwechsel.
00:17:41: In den Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik beschreibt Wittgenstein die Lösung mit folgenden dem Fliegenglas sehr ähnlichen Bild.
00:17:50: Ein Mensch ist in seinem Zimmer gefangen, auch wenn die Tür unversperrt ist, aber sich nach innen öffnet.
00:17:55: Er aber nicht auf die Idee kommt, zu ziehen, statt gegen sie zu drücken.
00:18:00: Wir müssen also lernen, neu und anders zu sehen.
00:18:04: Darum geht es, so finden wir den Ausweg.
00:18:06: Um das zu illustrieren, benutzt Wittgenstein ein ganz reales Bild, das aus der Gestaltpsychologie stammt, nämlich den sogenannten Hase-Entenkopf.
00:18:17: Ähnliche Wexierbilder gibt es auch mit Vasen und anderen Gegenständen.
00:18:21: Wenn ihr die Ente seht, könnt ihr den Hasen nicht sehen und umgekehrt.
00:18:27: Manche Leute sehen entweder den Hasen oder die Ente nicht.
00:18:31: Genau in einem solchen Fall, wenn wir nur ein Bild vor Augen haben und uns von diesem Bild nicht lösen können und uns damit die Möglichkeit entgeht, Alles auch anders zu sehen, müssen wir miteinander sprechen, uns die Dinge zeigen, argumentieren.
00:18:46: Schau doch mal, das, was du für die Ohren des Hasen hältst, ist auch gleichzeitig der Schnabel einer Ente.
00:18:54: Wittgenstern nennt das die Arbeit des Überzeugens, die manchmal sogar aus Überreden besteht.
00:19:00: Es verlangt Mut, seinen eigenen Verstand so zu gebrauchen, nämlich gegen die Gewohnheit, dass er uns befähigt, anders neu zu sehen und das bislang gewohnte abzustreifen.
00:19:12: Denn meistens sehen wir nur das, was alle sehen, also was wir gewohnheitsmäßig sehen.
00:19:16: Bei unserem Befreiungsversuch sollten wir den gesamten Werkzeugkasten kennen und von ihm Gebrauch machen, um uns zu befreien.
00:19:23: unterschiedliche Methoden verwenden, zu denen ich philosophisches oder wissenschaftliches Arbeiten zähle, aber eben natürlich auch verschiedene Formen der Kunst oder verschiedene Formen der Meditation.
00:19:33: Warum?
00:19:34: Weil auch Meditieren eine Form der Arbeit an der Veränderung der Perspektive ist, aber dazu mehr ein andermal.
00:19:41: Wichtig ist, dass wir erkennen, dass unser Ziel keine absolute Lehre oder Theorie eine letzte Wahrheit ist, sondern unser Ziel ist das Lösen eines Problems, der Ausweg aus dem Fliegenglas bis zum nächsten.
00:19:55: Man kann dieses Bild als Ente und man kann dieses Bild als Hase sehen und es gibt keine absolut richtige Lösung.
00:20:03: Das Verrückte ist ja gerade, dass dieses Bild in beiden Fällen absolut gleich bleibt und sich nicht ein einziger Pixel verändert hat.
00:20:12: Was sich verändert hat, ist unser Blick.
00:20:15: Und unser Blick bedeutet unsere Perspektive.
00:20:19: Und die ist weder fest, noch hat sie einen festen Boden und ist fest zementiert.
00:20:23: Was wir machen, ist gewissermaßen lose Fäden aufzunehmen, die weit über uns als Individuen herausreichen.
00:20:31: Die werden uns von anderen zugereicht.
00:20:33: Und dann verknüpfen wir diese Fäden neu.
00:20:36: Und diese Verknüpfung, das neue Muster, das wir dann sehen, hat keinen Grund in den Dingen selbst, also in den Linien, Farben, Punkten oder unterschiedlichen Gegenständen, die wir sehen oder die wir abbilden, egal auf was für eine Weise.
00:20:49: Was sich ändert, sind wir.
00:20:51: Obwohl es interessante Forschung dazu gibt, was tatsächlich in unserem Gehirn passiert bei einem solchen Phasenübergang oder einem Perspektivwechsel, ist bislang noch nicht durch und durch geklärt.
00:21:03: Unter Umständen hat so ein Perspektivwechsel ja auch tiefgreifende existenzielle Veränderungen zur Folge.
00:21:11: Auch das muss irgendwie in unserem Gehirn passieren.
00:21:13: Aber wie?
00:21:15: Die Veränderung hat mit uns zu tun, wobei dieses Ich oder Selbst, das sich ändert, wir, die wir uns ändern, ebenso wenig ein eindeutiger Gegenstand ist, so ähnlich wie die Ente oder der Hase.
00:21:29: Wenn wir uns selbst betrachten, kann diese Gestalt, also wer wir sind, durchaus kippen und wir sehen nicht die Ente, sondern wir sehen den Hasen.
00:21:38: Und beides nennen wir aber ich, also etwas, das offensichtlich anders ist als ein Gegenstand oder eher gelesen werden muss, wie ein sich veränderndes Muster.
00:21:49: Jedenfalls können wir es auf Dauer weder Einfang noch festhalten.
00:21:54: Auch das, was wir ich nennen, ändert sich im Laufe der Zeit.
00:21:57: Deshalb spreche ich in meinen Büchern auch von der Philosophie des fliegenden Teppichs.
00:22:02: Obwohl dieser Teppich aus nichts Festem gewebt ist, trägt er uns dennoch von A nach B. Also, wir finden kein festes Ich, aber trotzdem reden wir vom Ich und wir tun das gestern und wir tun das übermorgen.
00:22:16: Nun könnt ihr vielleicht sagen, dass man doch rauskäme aus diesem Fliegenglasproblem, wenn man das ganze Glas zerstört.
00:22:24: Abgesehen davon, dass das nicht nötig ist, besteht das Problem ja darin, dass wir das Gefängnis gar nicht sehen.
00:22:31: Wir sehen das Glas ja gar nicht, die Sprache.
00:22:34: Die meisten philosophischen Probleme beruhen nach Wittgenstein in einem Missverständnis unserer Sprache.
00:22:41: Ein Missverständnis, das häufig nur durch die Sprache wieder aufgelöst werden kann.
00:22:45: Wir brauchen also Sprache, um Denken und uns im Denken zu befreien und den Ausweg aus dem Fliegenglas zu finden.
00:22:53: Im sogenannten Big Type Script, schreibt Wittgenstein, der Philosoph trachtet, das erlösende Wort zu finden.
00:23:00: Das ist das Wort, das uns endlich erlaubt, das zu fassen, was bis jetzt immer ungreifbar unser Bewusstsein belastet hat.
00:23:07: Unsere philosophischen Probleme sind wie der fliegende Teppich.
00:23:11: Wenn wir anfangen, ihn aufzudröseln, Faden für Faden, bleibt nichts mehr übrig.
00:23:17: Der ist nicht fest.
00:23:18: Es sind Luftgebäude, die wird zerstören, sagt Wittgenstein.
00:23:22: Aber diese Luftgebäude oder Fiktionen, Bilder, Vorstellungen üben eine reale Wirkung auf uns aus.
00:23:30: Worum es geht, ist den Grund der Sprache freizulegen, auf dem all diese Luftgebäude errichtet sind.
00:23:37: Und dieser Grund ist am Ende weder ein Argument noch logik, sondern die grundlose Tatsache, dass wir etwas tun und die Wirklichkeit so ist, wie wir sie vorfinden und wir uns in dieser Wirklichkeit auf eine bestimmte Art und Weise verhalten.
00:23:52: Die Wirklichkeit selbst ist bodenlos.
00:23:54: Es gibt darin keinen festen Kern.
00:23:57: Die Sprache allerdings verführt uns häufig, genau das zu glauben.
00:24:02: Ist das ich nicht immer ich?
00:24:03: Bin ich nicht immer ich?
00:24:05: Und leider achten wir viel zu selten auf den Nürnissen der Sprache, auf die vielen Sprachspiele.
00:24:09: Wir entkommen dem Gefängnis der Bilder nur, indem wir die Bilder, manche Bilder jedenfalls hinter uns lassen, die uns gefangen halten.
00:24:17: Und diese Bilderschreibwitkenstein liegen leider tief in unserer Sprache vergraben.
00:24:23: Und deshalb reproduzieren und wiederholen wir sie unerbittlich, weil sie mit der Sprache immer wieder in die Oberfläche kommen.
00:24:28: Wir halten sie für unumgänglich.
00:24:31: Und das Paradoxe ist, dass die Lösung die ganze Zeit vor unseren Augen liegt.
00:24:36: Die Lösung ist nämlich die Öffnung des Fliegenglasses unten.
00:24:40: Nur dürfen wir nicht in alter Gewohnheit immer nur Richtung Licht nach oben oder gerade ausfliegen.
00:24:45: Und damit uns der Richtungswechsel gelingt, müssen wir lernen, die Perspektive zu ändern, neu zu sehen.
00:24:52: Damit ist noch nicht entschieden, dass es uns dann tatsächlich gelingt, uns zu befreien.
00:24:56: Oder ob es uns gelingt auch... andere mitzunehmen und den Ausweg zu zeigen, damit sie sich befreien können.
00:25:04: Wir müssen es mit viel Kreativität immer wieder neu versuchen.
00:25:08: Das versucht Philosophie.
00:25:09: Und dann sagen wir, schau, da ist der Hase, da ist die Ente.
00:25:14: Eine Garantie, dass es klappt, dass eine oder das andere zu sehen, gibt es nicht.
00:25:19: Aber es ist die Aufgabe der Philosophie, diese tiefliegenden Probleme, unsere Lebensprobleme in Angriff zu nehmen, Und uns und anderen dabei zu helfen, das, was ist, auch anders zu sehen und den Möglichkeiten Sinn zu entwickeln.
00:25:32: Und dafür brauchen wir Philosophie, aber wir brauchen zum Beispiel auch Kunst.
00:25:39: der Udo Keller Stiftung Forum Humanum und der Oceane Stiftung für das Meer sowie vom AVE-Institut für Achtsamkeit, Verbundenheit, Engagement.
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